Wie glücklich sind wir in Schalkhausen! Wir haben eine Kirche, eine sehr schöne dazu, die offen für alle Menschen ist. Und wir haben drei Glocken, die Himmel und Erde verbinden. Ihr Klang breitet sich aus. Bei gutem Wetter bis nach Steinersdorf, Neudorf, Dornberg und Geisengrund und noch weiter bis ins Nachbardekanat. Unsere drei Glocken wurden im Jahr 1953 von der Glockengießerei Schilling in Heidelberg gegossen. Nachdem im Zweiten Weltkrieg (genau wie im Ersten) die beiden kleineren Glocken abgegeben werden mussten und nicht mehr zurückkamen,

war damals nur noch die große Glocke aus dem Jahr 1899 vorhanden. Sie wurde eingeschmolzen und zum Guss der drei neuen Glocken verwendet, die 648, 365 und 255 Kilo wiegen.Seitdem läuten unsere Glocken zu festgelegten Zeiten in unterschiedlicher Weise und Dauer. Jede Kirchengemeinde hat ihre eigene Läuteordnung. Bei uns in Schalkhausen findet das tägliche Gebetläuten um 6:00 Uhr, 12:00 Uhr und 18:00 Uhr statt. Dabei läutet jeweils die große Glocke. Ursprünglich riefen die Glocken die Mönche und Nonnen in den Klöstern zum Gebet und halfen ihnen den Tag einzuteilen. Die Gebetsglocke unterschied die Phasen der Arbeit und die Phasen des Gebets. Papst Sabinian aus dem 7. Jahrhundert verdanken wir, dass die Gebetszeiten der Mönche auch für die Christen außerhalb der Klostermauern Geltung bekamen.

Haben Sie bei meiner Aufzählung der täglichen Läutezeiten etwas vermisst? Natürlich, das 11-Uhr-Läuten! Dieses Läuten der mittleren Glocke kündigt allerdings keine Gebetszeit an. Nein, das 11-Uhr-Läuten ist der Ruf an die Hausfrau das Mittagessen zuzubereiten. Darum heißt es in Schwaben auch Spätzlesläuten und bei uns mancherorts “Klößläuten”. Ein Gebet beim 11-Uhr-Läuten tut trotzdem gut. Glockenklang ist gut. Mitten in unsere Weltzeit bringen die Glocken die Gotteszeit zum Klingen.

Wie spät ist es? Unsere Uhren zählen die Zeit, die Glocken dagegen bestimmen den Wert der Zeit: Welche Zeit ist es? Die Zeit läuft und läuft. Die Uhr tickt und wir fragen: “Wie spät ist es?” Anders die Glocken. Sie sagen: „Der Moment ist jetzt.“ Für einen Moment hält die Zeit an. Warum nicht Pause machen, einen Moment innehalten? Vielleicht ist ja jetzt gerade die Zeit des Heils. Jetzt ist die Hochzeit, rufen unsere drei Glocken gemeinsam, jetzt ist die Stunde der Taufe, verkündet die kleine Glocke – hier hat sie ihren großen Auftritt. Jetzt ist die Zeit sich zum Gottesdienst aufzumachen, erinnert die mittlere Glocke um 9:00 Uhr. Und zum Beginn und Ende des Gottesdienstes läuten dann alle drei zusammen. Glocken begleiten die Konfirmanden und Konfirmandinnen bei ihrem Einzug in die Kirche, das Brautpaar zieht Hand und Hand in die Kirche ein, wenn die Hochzeitsglocken läuten. Glockenklang kann auch Trauer verkünden, wenn die große Glocke eine Beerdigung ankündigt. Alle wissen beim Klang der Glocke: einer ist gestorben. Eine ist heimgegangen. Und eine Familie weiß: die Glocken läuten für ihn, für sie. Wie die Glocken Himmel und Erde verbinden, so geleiten sie einen Menschen heim. Alle drei Glocken begleiten die Trauergemeinde, wenn sie vom Friedhof in die Kirche zieht.

Mitten in die Weltzeit mit ihren Zeitangaben und digitalen Anzeigen erklingt die Gotteszeit und lässt mich aufhorchen. Gott ist gegenwärtig. Gott ist da, mitten am Tag, wo immer ich bin. Nur einen Glockenschlag entfernt. Der Klang entsteht wohl im Kirchturm, kommt aber doch von viel weiter her. Ein Klang, der von Gott kommt und durch mein Ohr mitten ins Herz dringt.

Ursula Seefried